20 Minuten Irrenhaus

Supermarkt

Neulich bei Albrechts Feinkost in einer süddeutschen Großstadt. Die Hitze flimmert am frühen Abend. Frau Sowieso und ich betraten die heilige Halle des von der Mittelschicht verpönten Discounters. Uns egal, wir gucken gern mal, welche Exemplare „Mitmensch“ sonst so hier rumlungern. Und auch heute sollten wir nicht enttäuscht werden.

Nachdem ich in Eingangsnähe anrempelnderweise fast von einer Meute Gebetswütiger lautstark (LAUTSTARK!) überrannt wurde, die mit Laken im Ku-Klux-Klan-Style (Kopf war frei, naja vom Bart mal abgesehen) den Delikatessenhandel stürmten, brauchte ich erstmal ein paar Meter, um mich zu sortieren. Meine Toleranzgrenze wurde das erste mal angekratzt.

Am Süssigkeitenregal hatte ich mich wieder einbekommen.

Und erspähte prompt einen Sonderposten an pinken Einkaufskörbchen, schnappte mir eins, hängte es über den Unterarm (ohne Körbchen keine Competition!) und rief nach Frau Sowieso. Noch bevor diese überhaupt reagieren konnte, lärmte eine Mitarbeiterin, die zehn Meter weiter Regale packte: „Steht ihnen ausgesprochen gut!“. Ich fühlte mich gedisst. Ehrlich. Meine Antwort war nicht jugendfrei, erfreute aber die Komplimentgeberin sichtlich.

Bockig trollte ich mich in Richtung Frau Sowieso, der just in dem Moment nur ein paar Meter weiter an einer Regalecke ein kleiner, alter Mann (bestimmt Mitte 70) mit einem viel zu großen Fahrradhelm direkt vor das Dekolleté sprang. Beide blieben stehen. Gucken sich erschrocken an. Knapp dreißig Zentimeter Abstand. High Noon… Rumpelstilzchen starrte kurz auf den ungewohnten Anblick in Augenhöhe und machte allen Ernstes einen Schritt nach vorn, sprich drängelte Frau Sowieso weg.

Agathe: „Sie haben doch eigentlich das Alter, in dem man wissen sollte, dass man Damen den Vortritt lässt und sie nicht wegdrängelt, Sie unhöflicher Kerl!“

Rumpelstilzchen: „Ei, schappdea deegggeen drrrööööbb…“

Gott, ein einheimischer Schachtscheisser – nur schnell weg!

Agathe: „Ich habe kein Wort verstanden. Schönen Abend noch!“

Die Verkäuferin, die mich eben noch ob meiner Taschenoptik anlog, ging im Stechschritt lachend in Richtung Kasse.

An den Fleischtruhen hatte ich mich wieder einbekommen.

Ich überlegte, welcher Käse wohl am besten meinen Magen nach einem halben Kilo Fleisch schließen würde und Frau Sowieso strolchte um die Kühltruhen herum, als diese von zwei durchaus versifften männlichen Exemplaren angesprochen wurde, die ihr wedelnd eine Stumpfhosenpackung vor die Nase hielten:

Siffi 1: „Entschuldigen Sie mal, passt die hier bei 60 Kilo?“

Frau Sowieso: (mustert Siffi 1 von oben bis unten) „Könnte knapp werden.“

Siffi 1 und 2: (irritiert, offener Mund)

Ich nähere mich gelangweilt samt Einkaufswagen der Szene.

Frau Sowieso: (deutet auf mich) „Fragen Sie mal besser Agathe, die hilft Ihnen bestimmt weiter!“

Siffi 1 und 2: (noch mehr irrtiert, Mund immer noch offen)

Ich erspähe auf der Packung die Größenangabe 46/48.

Agathe: „Sehen wir so aus, als ob wir hier arbeiten? Wenn ja, würden wir einen Einkaufswagen durch die Gänge schieben? Aber wenn ihr die Dame beleidigen wollt, passt die Größe. Für euch selbst wird es eher knapp.“

Bloß weg hier. Zielstrebig die Kasse ansteuern, wo grinsend die Verkäufern wartet. Als wir zahlen, legen die Siffis dann drei Strumpfhosen in 46/48 auf das Band. Dreckige Fingernägel, aufgekratzte Pickel. Kopfkino. Bäh.

Meine Toleranzgrenze ist irgendwo ganz weit weg…