Null Prozent für Verrückte

„Verrrückte da draußen – willkommen beim Preis. Jetzt kann sich jeder alles leisten… blahblah Monatsraten…“ brüllte mir das Radio im Auto entgegen. Auf Klassik-Radio. Im ersten Moment dachte ich, ich hätte den falschen Sender an. Aber nein…

Abgesehen davon, dass die Herrschaften einen sehr guten Song für ihren Spot vergewaltigt haben, ist der Rest genau das, was man erwartet: Purer Dreck. Die große, rote Kette (rot stimmt ja mittlerweile auch bei den Geschäftszahlen) hält mit der Meinung über die eigene Kundschaft seit Jahren in den übelsten Werbespots lange nicht mehr hinter dem Berg. Der aktuelle Spot setzt dem Ganzen nun das Krönchen auf.

Die Kundschaft ist verrückt. Verrückte sind bei Media-Markt willkommen. Das ist nicht neu, wird aber erstmals klar und deutlich so ausgedrückt, dass es auch die primäre Zielgruppe versteht.

Nur der Media-Markt hat den Preis. Auch das ist eine alte Weisheit. Vor Jahren, als Media-Markt dem Kunden in der Tat noch suggerieren konnte, dass alles ganz toll und oberbillig ist, wurde in Heerscharen bei vermeintlichen Sonderangeboten zugeschlagen. Ohne zu vergleichen, ohne zu gucken. Herdentrieb. Wozu beim örtlichen Fachhandel nachschauen? Die sind doch eh alle viel zu teuer. Die Werbung war zwar lästig, aber nicht so aggressiv wie heute. Offenbar tat das auch dem geschäftlichem Erfolg gut, damals hörte man noch nichts von Verlusten.

Keine Kohle? Kauf auf Pump! Zauberwort Monatsraten. Im Zweifelsfall ein einfacher Merksatz: Hab ich heute kein Geld, hab ich morgen auch keins. Mich würde echt mal interessieren, wie viele Kreditverträge (nichts anderes ist ein Ratenkauf) beim selbsternannten Technik-Gott platzen. Wobei, eine kurze Suche im Netz ergab, dass viele Finanzierungen einfach abgelehnt werden. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, zappelt der kaufwillige Kunde doch bereits am Haken. Er wird sich das Geld schon irgendwie besorgen.

Ich verstehe sowieso nicht, warum man unbedingt ein Smartphone oder irgend eine Spielkonsole für hunderte von Euro braucht, wenn man eh knapp bei Kasse ist und das Ding dann auch noch finanzieren muss. Aber das ist ein anderes Thema…

Herr Einstein brachte es auf den Punkt: „Zwei Dinge sind unendlich. Das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher…“

So gesehen ist die Kernaussage des anfangs erwähnten Radiospots natürlich wieder richtig. Ihr seid gut, ihr Werbemenschen bei Media-Markt. 😉

Der schlaue Paul

Die Pleite der P+S Werften in Stralsund und Wolgast als relativ aktuelle Beispiele sind eigentlich nur die Spitze eines widerlichen Eisbergs. Den Mitarbeitern auf den Werften ging es jahrelang gut. Jetzt ist das Gejammer groß, verständlicherweise. Aber es gibt auch kleine, feine Punkte, die sich in der Summe mit Sicherheit quer durch die Republik ziehen.

Reine Theorie: Der Werftarbeiter Paul verdient gutes Geld, wird nach geltenden Tarifverträgen bezahlt. Keine Ahnung, was er die Stunde verdient, aber mehr als ein Euro wird’s mit Sicherheit sein. Jetzt nicht mehr, der Insolvenzverwalter hat ihm den Stuhl vor das Werfttor gestellt.

Bislang hatte Paul sein Leben im Griff. Paul ist ein Sparfuchs. Er rannte mit seinem sauer verdientem Geld los, und kaufte nach jahrelangem Sparen eine Familienkutsche eines asiatischen Herstellers. Und auch beim Einkaufen sparte er, bis es blutet. Spielzeug für die Kinder? Bunt, Kunststoff, billig – am besten aus ´nem Ramschmarkt. Zum Fleischer? Paul ist doch nicht wahnsinnig! Gehacktes bekommt er auch im Supermarkt zum halben Preis. Brot, Brötchen? Ja, täglich, aber bitte billig. Was denken sich die Bäcker bei den Preisen eigentlich – da kauf ich lieber im Discounter. Ein neuer Fernseher musste her! Beratung? Wozu? Paul ist schlau, weiß alles und spart beim Kauf im Internet.

Zu Hause ist er dann doch zu dämlich, das Gerät vernünftig zu bedienen. Aber da ist der Fachhändler vor Ort ja da und gibt kostenlos Tipps und Tricks. „Was für ein Arschloch…“, dachte Paul, als der Fachhändler ihn abweist. Warum soll der für eine primitive Auskunft bezahlen? Und wenn zu Hause etwas kaputt geht, stöhnte Paul über den Preis der Arbeitsstunde eines Handwerkers. Von den Rechnungen im Autohaus für Wartung und Reparatur einmal ganz zu schweigen.

Was wäre, wenn der nach Tarif bezahlte Werftarbeiter Paul zum Beispiel ein chinesisches Gehalt bekommen hätte? In Shanghai betrug das Mindestgehalt im letzten Jahr 188 US-Dollar, das sind heute ca. 146 Euro.

Ich hätte ihm die Erfahrung einmal gegönnt…

Heute guckt Paul aus dem Fenster und überlegt, ob die Schiffe, die er mit seinen Kollegen gebaut hat, demnächst auf chinesischen Werften gebaut werden.

Knieschuss? Aber gerne doch!

Gegenüber von unserem Laden ist eine Bäckerei. Und zwar eine Filiale einer Kette, die sich hier im Norden schön breitgemacht hat. Hier werden die Mitarbeiterinnen offenbar drauf gedrillt, den Kunden konsequent dämlich gekünstelt anzulächeln und einen scheissfreundlichen „Guten Tag“ zu wünschen. Dann „Darfs noch ein äusserst leckeres xxx-Brot sein, das ist ganz frisch aus dem Ofen! Oder vielleicht ein Stück von unserem obersupertollen xxx-Kuchen? Der ist soooo lecker!“…

Eh, warum können die nicht einfach nur zwei Brötchen einpacken, ohne eine Minute Text hinterherzurasseln?

Und eigentlich sollte man denken, dass die „Damen“ zumindest im Ansatz hinter ihrer Freundlichkeit stehen…

Blöde nur, wenn eine der redegewandten Verkäuferinnen grundlos Fratzen hinter dem Rücken des Kunden macht, der grade losgeht und ihm die Zunge hinterrücks rausteckt.

Noch blöder, wenn der gehende Kunde sich prompt umdreht… :mrgreen:

FAIL!

PS: Ich kaufe bei denen konsequent nicht ein. Weil ich meine, dass ein Bäcker nicht der ist, der einen Ofen an und ausmachen kann. Und wegen der Freundlichkeit.