Das Bärenklau-Sommerloch

Riesen-Bärenklau Hracleum mantegazzianum

Da sitzt irgendwo in einer Redaktion ein Redakteur oder Volontär oder Schülerpraktikant und haut einen raus. Regelmäßig gegen Dinge, die sich nicht wehren können. Zum Beispiel Pflanzen, die heutzutage nicht unbedingt als Symphatieträger gelten. In hetzerischer Art und Weise wird alljährlich quer durch Deutschland der Riesen-Bärenklau als Heuschreckenplage der neuen Welt dargestellt.

Deutschlands Armageddon für moderne digitale Kreuzritter, der Waffe mit „qwerty“ geladen wird.

Das doldenblütlerartige Teil schmimpft sich „Heracleum mantegazzianum“ und ist ganz einfach eine Pflanze. Die ist jetzt auch nicht unbedingt neu in Deutschland sondern wurde in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts von grünorientierten Naturexperten sogar mal hofiert. Unter anderem sollte es die absolut perfekte Bienenweide gewesen sein. Bienen = gut. Stimmt soweit. Nur waren es eben meist keine Honigbienen, sondern Mistbienen. Und das wiederum sind gar keine Bienen sondern Schwebfliegen. Das bekam der Naturschützer irgendwann mit und verstummte.

Das Zeug wächst gut. Wird hoch. Bekommt große Blüten. Ist giftig. Und ziemlich anspruchslos. Wie tausende andere Pflanzen auch. Als Kinder sind wir mit Planzen in Berührung gekommen, die sich gegen die nichtgewollte Kontaktaufnahme gewehrt haben. Brennnesseln waren da noch harmlos, Dornenträger taten schon mehr weh und es gab auch durchaus mal bleibende, kleinere oder größere Narben, die durch unsachgemäßen Gebrauch von Flora und Fauna entstanden sind. Hat man sich gemerkt…

Wenn nun heute ein Kevin (oder Lars) in einer selbstherrlichen selbstbewussten Art in ein Rudel Riesenbärenklau läuft und sich danach optisch entsprechend der Menge kontaktierter Pflanzen verändert, ist das Geschrei der Übermütter gerade in den sozialen Netzwerken groß. Nein, nicht das Kind sollte die Pflanze meiden – die Pflanze muss weg! Einzäunen, weghacken, verbrennen, vergiften, ausrotten. Am besten noch den Grundstücksbesitzer verklagen. Sofort. Auf die Idee zu kommen, dass der heroische Doldenblütler den Kevin auch nicht so mag und schon lange vor ihm hier wohnte, kommt kaum einer.

Vielleicht erlebe ich es ja noch, dass eine Mutter bei Facebook nicht über die vollflächige Zerstörung der zarten Haut ihres Kindes durch böse Pflanzen berichtet, sondern darüber, wie man dem Nachwuchs beibringt, das nicht alle Pflanzen zum Verzehr zum Durchlaufen und Platttrampeln geeignet sind und der gesunde Menschenverstand durch Erfahrungen und Lernen geprägt wird. Aber da wäre dann ja die Mutter in der Verantwortung…

Agathe

Agathe denkt, atmet, schreibt.

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