2 Prozent gehen zu Ikea, um Möbel zu kaufen.
2 Prozent gehen zu Ikea, um Möbel auszusuchen.
96 Prozent gehen zu Ikea, um Bleistifte zu klauen und Hotdogs zu essen.
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Radfahrer sind ja in der heutigen Gesellschaft eine problembehaftete Spezies. Wenn vor 30 Jahren auf dem Dorf der adipöse Nachbar bei Einbruch der Dunkelheit auf einem aus heutiger Sicht nicht verkehrstüchtigem Drahtesel die Heimfahrt aus der Dorfkneipe antrat, hat es niemanden gestört, eher das halbe Dorf amüsiert. Der dicke Nachbar war irgendwann besoffen zu Hause bei der Mutti und alles war gut. In der Stadt lief es ähnlich. Man fuhr mit dem Fahrrad irgendwo hin, stellte es ab, fuhr wieder zurück und alles war gut. Der eigene Nachwuchs wurde mal schnell mit dem Rad zum Brötchenholen geschickt, man hing sich die Dinger an den Lenker und torkelte mit dem Rad zurück. Immer ein Auge auf motorisierte zwei- und vierrädrige Fahrzeuge. Man traute sich auch nicht, irgend einen Passanten zu erschrecken, indem man einfach auf dem Fußweg mit zehn Zentimetern an selbigem vorbeiheizte.
Jetzt gestaltet es sich etwas schwieriger. In der heutigen Zeit würde da vermutlich spätestens beim zweiten oder dritten Versuch des Dorfdicken, mit einem halben Dutzend Bier im Wanst den Heimweg anzutreten, ein Denunziant ähm aufmerksamer Nachbar die Staatsmacht aktiveren. Die dann vermutlich sogar aufs Dorf ausrücken würde. Weil: Der Dorfdicke ist ein leichtes Opfer. Hat ´ne Wohnanschrift und bei dem kann die Staatskasse vermutlich auch das Bußgeld vollstrecken. Braucht sie aber nicht, der ist ja braver Bürger und zahlt vermutlich von allein, damit er keinen Stress mit den Schutzmännern hat. Der Denunachbar lehnt sich zufrieden ob der guten Tat in den Ohrensessel und kann vermutlich nicht zwischen RTL und RTLII entscheiden.
Da der gemeine deutsche Dorfeinwohner aufgrund wirtschaftlich-demographischen Entwicklung der letzten Jahre ja eher selten auf dem Acker oder im Stall arbeitet, fährt er also werktags (oder für die Neudeutschen „unter der Woche“) mit dem Kraftfahrwagen vermutlich in die nächste Stadt, um seinen Frondienst zu verrichten.
Und hier kommen die unzähligen Leben der Tretknechte ins Spiel: Auf der Landstraße in Richtung Stadt kommt ihm das Modell „Ü40 in Kunstdarm“ vor die Stoßstange des asiatischen Hybridvehikels. Findet man zugegebenermaßen nur auf gut geteerten Straßen und auf Rennrädern. Hat der Herr Nachbar Glück, hat das 2500 Euro-Karbon-Teil hinten einen LED-Funzel. Hat er Pech, muss er bremsen. Hat der Kunstdarm Pech, schießt ihn der Nachbar ins Feld.
Kaum in der Stadt angekommen sichtet der Nachbar einen Blagenexpress. Das sind diese eingelaufenen Wohnwagenteile mit Zeltplane, in der optimalerweise Gucklöcher vorhanden sind. Transportiert wird damit die eigene Brut, geschützt vor Wasser, Wind und überhaupt der gesamten Menschheit. Die Dinger sind meist gut beleuchtet, der Chauffeur (die Muddi oder der Vaddi) haben vorbildlich ´n Helm auf dem Kopf und bestimmt noch selbstanschnippsende Reflektorenbänder an den Beinen und Armen.
Ein paar Meter weiter Richtung Stadtkern geht es dann richtig los. Kunstdärme und Kindertransporteinrichtungen hinter Zweirädern werden ergänzt von fitten Angestellten auf Tourenrädern, Studenten auf „egal was, Hauptsache bewegt sich vorwärts“ und den Hausfrauen und Männern, die ihre Einkaufsbeutel an Lenkern und in Körbchen durch die Gegend schaukeln.
Je größer die Dichte an Radfahrern je Hektar, desto häufiger siegt der Übermut über den Überlebenswillen.
Abbiegen funktioniert wie folgt: Nach rechts kann man einfach so abbiegen, es besteht maximal die Gefahr, ´nen Fußgänger wegzulöten. Nach links vielleicht besser ein Schulterblick. Bei Lkw bremsen und bösen Blick aufsetzen, bei Pkw abbiegen.
Spurwechsel funktioniert wie folgt: Spur wechseln. Folgt ein Hupton, war wohl ein Stück Blech dicht am Hinterrad. Herrscht komplette Stille und innere Entspanntheit, hat Dich das Stück Blech erwischt. In diesem Fall ist es das Optimum, wenn Du Minuten später ein Martinshorn hörst. Wir schweifen ab…
Straßen überquert der Veloziped optimalerweise an Fußgängerwegen. Das sind die Straßenteile, die lustige weiße Streifen aufgemalt bekommen haben. Die Chance hier auf Blechkontakt zu stoßen, ist mal extrem gering.
Rote Ampeln sind gute Möglichkeiten, ohne Feindkontakt voranzukommen. Wenn man ansatzweise auf Gutmensch spielen möchte, anhalten (dabei eventuell noch am Dach eines ebenfalls haltenden Haßobjekte (aka Pkw) festhalten). Natürlich vorrollen bis an die Haltelinie. Vorsicht: Geht nur erschwert, wenn ein Blagentransporter angehängt ist!
Spielstraßen sind im Übrigen der ideale Ort für Radler. Kinder spielen heute nicht mehr auf Straßen, sondern an Smartphones, Tablets oder Spielkonsolen. Freie Fahrt – einfach durchhacken! Schrittgeschwindigkeit gilt nur für Fahrzeuge mit Kennzeichen. Auch bestens geeignet zum Vorwärtskommen: Radwege. Das sind die Dinger links und rechts neben der Straße zwischen selbiger und Fußweg. Der Fußweg ist das Ding, wo die beweglichen, meist zweibeinigen Hindernisse unkontrolliert hin- und herlaufen.
Kommen wir zum Denunzianten ähm Nachbarn zurück. Selbiger hat in Schleichfahrt (Elektromodus!!!) den Sitz seines Fronherren erreicht und sitzt dort die vereinbarte tägliche Arbeitszeit ab. Den Rückweg können wir uns sparen, der verläuft ähnlich wie der Hinweg. Zu Hause schnell den noch nüchternen Dorfadipösen überholen und beobachten, der schon wieder auf dem Weg zur Kneipe ist. Dann wird der Hybrid geparkt und sich mit ´nem leckeren Pils vor die Glotze gehockt.
So, und die mich beschäftigende Frage ist: Welche der genannten Figuren hat es am besten bzw. die höchste Überlebenschance im Alltag? 😉
Da isses nun schon ein paar Tage alt. Das Ergebnis der Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern. Erwartungsgemäß ausgefallen, weil: Eine bessere Werbung als das ewige Genörgel und Gejammer der örtlichen und überörtlichen schreibenden und labernden Presse im Vorfeld, die sinnfreien (aber immerhin neben einer gehörigen Portion Dummheit auch mit viel Haß gespickten) Kommentare von vornehmlich oder vermeintlich grün-linken-Demokraten (oder gar Leuten aus den eigenen Reihen) in sozialen Netzwerken. Viel mehr braucht es nicht, um eine Bewerberpartei bei den Landtagswahlen mal ordentlich zu pushen und mit Pauken und Trompeten ins Schweriner Schloß einreiten zu lassen.
Gratulation, habt ihr geschafft. Hinter den Nichtwählern und der SPD ist dieser widerliche halbbraune Mob, der vor der Wahl fast täglich ´ne frische Maske „Modell Demokratie“ aufsetzte, dank eurer Meckerhilfe immerhin dritter Sieger geworden und hat offenbar sogar Adolfs Enkel aus dem Landtag gekegelt.
Wobei es bei dieser Landtagswahl wohl eher keine Sieger gibt, aber das werden die nächsten Jahre zeigen.
Einen „Verlierer“ gibt es zumindest schon: Den Tourismus. Der kann sich nach Drohungen aus dem Volk mal warm anziehen: Zig Kommentare in sozialen Netzwerken und irgendwelchen laberigen TV-Interviews a la „Doar machen wa keinen Urlaub mehr bei die Nazis da oben in MV!“. Na hoffentlich. Dann haben wir endlich mehr Platz. Was diese geistigen Halb- und Vollwaisen allerdings vergessen haben: Bevor hier der halbbraune Mob in den Landtag einzog/-zieht: In Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hamburg, Rheinland-Pfalz und nicht zuletzt Thüringen sitzt die demokratisch angestrichene Elite bereits in euren Landesparlamenten. sic! Und zwar sowas von.
Widerlicher Nebenefffekt: Jetzt großkotzige (vor der Wahl eher kleinlaute) SPD-Jünger, die seit Jahren die Geschicke des Landes eher durch seichte (Bürgschafts-)gewässer ziehen anstatt in einer ordentlichen Fahrrinne zu schippern, greinende CDU-Leute, die sich auf die bröckelnde Angelahochburg Vorpommern weiterhin stützen, in Selbstmitleid zu ertrinken drohen und immerhin mit dem politischem „Gegner“ SPD (da muss sogar ich grinsen) sofort rumklüngeln. Auf den Fahnen steht offenbar: „Puh, da hammwa ja alle in diesem Jahr nochmal Glück gehabt, komm wir kuscheln weiter.“ Na dann, ab und zack mit dem „politischem“ Gegner in die Kneipe und die Wunden lecken.
PS: Den perversesten Wahlk(r)ampfauftritt legte in meinen Augen der seit 2006 amtierende Innenminister des künftig urlauberfreien Landes MV hin, der medienwirksam, live, in Farbe, zu sehr früher Stunde und in polizeiähnlicher Kleidung Abschiebungen beobachtete, kommentierte oder gar kommandierte. Und das als Dipl.-Ing. (DDR) für Land- und Forsttechnik und später LPG-Vorsitzender. Vier Kinder und kein Anzeichen von Scham ob dieser abartigen Selbstdarstellung.
PPS: Wir haben das schönste Bundesland. Noch.
Früher, also nachm Krieg oder quasi davor, gab es ja die DDR und die BRD. In der BRD hatte man die Westmark, in der DDR die Ostmark. Letzteres Exemplar fiel mir beim Rasenmähen in die Hände. Und zwar in Form einer 2-Mark-Münze. Dreckig, versifft. Und vermutlich nichts mehr wert.
Früher, also als die Mauer noch hoch und schattenspendend stand, war die Ostmark auch schon wenig wert. Gehandelt wurde 1:10 – also eine Westmark für 10 Ostmark. Es gab auch noch abenteuerlichere Kurse, der Einfachheit ignorieren wir die mal.
Also. 2 Ostmark wären demnach 20 Westpfennig. Der ist ja auch kein gültiges Zahlungsmittel mehr, da wir ja mit´m Euro beglückt wurden. Und jener hat den Börseninhalt zahlenmäßig auch halbiert. Die 20 Westpfennig wären jetzt also 10 Eurocent.
1989 kostete ´n halber Liter Bier 0,96 DM. Ein Brot 3,10 DM. Ein Liter Benzin 1,51 DM.
Im nur noch geographisch existenten Osten hätte ich dafür immerhin über 15 Brötchen bekommen. 😀
Obwohl – das schlaue Google-Shopping gibt Preise von einem Euro bis hin zu knapp 2000 Euro für eine Chromstahlvariante als Materialprobe (kenn ich nich, hab ich nich) aus.
Ich geh dann mal meinen Bodenschatz wieder vergraben. Oder spende ihn an irgendeinen Sammler. Oder verkaufe ihn als „übelste Rarität der Raritäten“ bei der Elektrobucht.
😉
…die Bauchfüßler, die sich täglich durch den Salat schlängeln, diesen verschmähen um dann dem Kohlrabi den Garaus zu machen.
Das Schöne daran ist, dass man die Viecher weder zu irgendeiner Tages noch zu irgendeiner Nachtzeit erwischt. Und ich bin mir nicht sicher, ob es Weinbergschnecken oder normales Fußvolk ist. Obwohl, beide Sorten haben eh nur ´ne Funktion als Vogelfutter. Also zumindest hier.
Auf jeden Fall: Kohlrabi fällt so aus. Mal sehen, worauf sich das Pack stürzt, wenn der weg ist… 😈
[Was vorher geschah: Teil I, Teil II]
Doc: „…das ging ja fix. Die gute Nachricht: Wir haben einen Befund. Die schlechte Nachricht: Der ist nicht schön. Kommense ma mit, ich zeigs ihnen am besten am PC“.
Wir zwängen uns in der Notaufnahme in einen Raum, der fünfzig Zentimeter breit und knapp einen Meter tief ist.
Doc: „Schauen Sie mal, das ist ihr Schulterblatt, und das ist ein schicker Bruch. Wie aus dem Lehrbuch…“
Er schiebt mich aus dem Miniraum nach nebenan in den Schockraum.
Disaster: „Ähm, ja und jetzt?“
Doc: „Sie können sich die Schulter so überhaupt nicht brechen. ich bin jetzt über zwanzig Jahre hier und habe zwei ähnliche Brüche gesehen. Damit hätten Sie mit 150 mit einem Motorrad irgendwo gegen fahren müssen. Dann wären aber noch tausend andere Knochen kaputt. Ich rufe jetzt den Orthopädie-Oberarzt an, der wird sich freuen, sie heute an seinem freien Samstagabend noch operieren zu dürfen…“
Herr Samstagabenddoc greift sich das Telefon und verlässt den Raum, Schwester Rabiata drückt mir einen Stapel Papier in die Hand, holt ein Krankenhaushemdchen aus dem Schrank und schmeisst das auf ein Bett im Raum. Öffnet Schränke, sammelt Flexülen und sonste Folterwerkzeuge in einer Nierenschale und stellt die ebenfalls aufs Bett. „Sie solln das ma lesen und unterschreiben!“ – „Ich unterschreib hier nüscht, bevor der Doc mir nicht erzählt, was Phase ist“ – „Das macht nachher der Orothodoc!“ Herr Samstagsabenddoc schlurft wieder in den Schockraum. „Huch, hier ist ja schon alles schick vorbereitet.“
In diesem Moment Gelärme auf dem Flur vorm Schockraum. Rettungssanitäter, ein Notarzt, eine fahrbare Pritsche samt Belegung die blutüberströmt und lauthals lamentiert: „Hörnsema, sehensezu, ich will innen Urlaub!“. Die Fuhre wird ins Nachbarzimmer verfrachtet. Tür zu, Gelärme nur noch gedämpft. Schwester Rabiata hebt die Augenbraue, der Doc murmelt sowas wie „Was ist dem denn zu eng?“. Rabiata erklärt darauf stichpunktartig, dass Herr Urlauber wohl mit seinem Kraftfahrwagen auf einer Allee eine Baumprobe gemacht hat, sein Weib unverletzt blieb und er sich dabei offenbar einige oberflächliche Schnittwunden zugezogen hat, die der Notarzt schon versorgt hat. Der Doc stöhnt.
Doc: „Ok, ich geh mal eine Rauchen und hol mir ´n Kaffee.“ – Blick zu Disaster und sein aus der Hosentasche guckendes Zigarettenpäckchen – „Wollnse mitkommen?“
Disaster [erstaunt]: „Klar, rauchen fetzt.“
Der Doc schnappt sich einen Kaffee aus dem Stationszimmer, wir gehen aus irgendeiner Hintertür vor das Krankenhaus. „Also, ich hab Dr. Oberorthopäde angerufen, der will den Bruch unbedingt sehen und kommt jetzt hierher. Mit absoluter Wahrscheinlichkeit muss operiert werden und sie sollten so ein, zwei Wochen bei uns bleiben. Dann folgt in sechs Monaten eine weitere OP und vermutlich in ein, zwei Jahren noch eine. Da hammse sich aber richtig in die Scheisse geritten.“ Seine Stimme klingt ernst und angespannt, mir ist schlecht. Wir rauchen schweigend auf und gehen wieder rein. Ich will ins Wartezimmer abbiegen „Ach, kommse mal mit rein, der Wartebereich ist ja auch eine Zumutung…“ Disaster in seinen Schockraum, Doc samt Schwester Rabiata in den anderen.
Gelärme. Das wurde ja mal Zeit, was ist das hier für ein Laden, blablabla… Minutenlang. Doc verlässt die Bühne nebenan und rauscht ab. Kurze Zeit später Schwester Rabiata lauthals: „Reissense sich mal zusammen mit ihren paar Kratzern, nebenan is ´ne gebrochene Schulter, hörnse von da was?“. Die Rettungsassis stehen grinsend vorm Schockraum, Schwester Rabiata rauscht ab, knallt die Tür nebenan zu und Ruhe ist.
Kurze Zeit später kam Dr. Oberorthpäde samt Samstagabenddoc zu mir. Gartenoutfit, Gartenschuhe, sichtbar in der Freizeit gestört. „Nahmt, ich hab mir eben mal mit dem Kollegen ihre Scapulafraktur beguckt, reife Leistung junger Mann.“ Und fängt an, sich die Hände zu waschen. „Ich würds mir gern mal näher ansehen, tut aber weh“. Ich rolle mit den Augen, Samstagabenddoc grinst. Neben ihm steht auf einmal die Röntgenschwester, Schwester Rabiata füllt meine Formulare aus.
Ausziehen, hinsetzen. Schmerzen. Ziehen, drehen, reißen, ich ab das Gefühl, dass der Arm ab ist und neben mir liegt.
Dr. Oberorthopäde: „Hm, das sieht nicht gut aus. Ich würde jetzt mal versuchen, den Bruch zu richten…“
Sprachs und fing an. Reflexartig Tränen. Einige Sekunden Höllle.
Dr. Oberorthopäde: „Guckense ma da in die Glastür vom Schrank. Sehen Sie den Höcker auf der Schulter? Das ist das abgebrochene Stück.“
Disaster [dem übel wird]: „Boah, und das soll jetzt so bleiben?“
Dr. Oberorthopäde: „Nee, sieht doch scheisse aus. Ich schieb das jetzt dahin, wo es hingehört.“
Sprachs und fing an. Reflexartig Tränen. Gezeter von Disaster. Viele Sekunden Hölle. Schweiss auf der Stirn des Docs. Samstagabenddoc und die Röntgenschwester starren gebannt, ab und an zieht die Röntgenschwester die Nase kraus und macht einen schmalen Mund. Niemand hält Händchen. Ich hab die Schnauze leicht bis extrem voll.
Dr. Oberorthopäde: „So Herr Disaster. ´n kleiner Glückspilz sindse ja, wa? Komplette Fraktur und so ein Ergebnis. Ihr Schulterblatt sieht jetzt so aus, wie es aussehen muss. Sie haben sich zig kleine Gefäße abgerissen, Muskeln angerissen, die Rippen geprellt. Ab morgen werden sie vermutlich ´ne ganze Weile grün und blau durch die Gegend laufen. Ich werde da nüscht operieren. Wir stabilisieren das jetzt und dann war´s das.“
Der Samstagabenddoc, Schwester Rabiata, die Röntgenschwester und meinereiner starren ihn fassungslos an. Rabiata fängt enttäuscht an, ihre Flexüle und das Hemdchen wegzuräumen.
Dr. Oberorthopäde: „Herr Dr. Samstagabenddoc, schickense mir ma die CT-Datei vonner Fraktur uffn Computer, das Ding druck ich mir aus uns häng´s anne Wand, gibt´s ja gar nicht. Herr Disaster, sie schonen sich ma ´ne Woche und in einem Vierteljahr ist wieder alles schick. Schönen Abend die Herrschaften, ich bin raus!“
Nach dieser für alle Beteiligten erstaunlichen Verkündung rauschte er mit seinem Gartenoutfit ab.
Der Rest ist schnell erzählt. Schwester Rabiata baut extrem einfühlsam eine Orthese an den Herrn Disaster, der selbige nur zum Duschen abnehmen darf. Der Samstagabenddoc schreibt den Arztbrief, die Röntgenschwester steht mit einem mitleidigem Blick rum und Herr Disaster versucht einhändig per Whatsapp seine Abholung aus dem Provinzkrankenhaus zu organisieren.
Die Abholung klappte, kurz vor Mitternacht saß Herr Disaster auf der Couch vor seinem Kamin. Die ersten Tage und vor allem die Nächte waren die Hölle. Man stellt fest, dass man zum Leben beide Arme braucht. Die Prognose vom Samstagabendoc, dass ich ziemlich genau eine Woche Schmerzen und Muskelkrämpfe haben werde, bewahrheitete sich. Nach fünf Tagen verstaute ich die Orthese im Schrank. Nach drei Tagen mähte ich einhändig den Rasen. Weder die Schulter noch der Oberkörper wurde grün oder blau. Und nach vier Wochen verspüre ich nur ab und an noch leichte Schmerzen.
Achso, und bevor mich das absolut nette und kompetente Team der Notaufnahme im Provinzkrankenhaus nach Hause gejagt hat, stellte der Samstagabenddoc die Frage: „Nu sagense mal nochmal, wie das passiert ist!“ Disaster: „Hab ich doch schon huntertmal, da waren Zeugen dabei, eine holt mich gleich ab. Aufm Kinderspielplatz mit meinem Kind auf einem zwanzig Zentimeter hohen Schwebebalken rumbalanciert und dabei ´n Sittich gemacht und über die Schulter abgerollt.“ Alles lacht, Schwester Rabiata drückt mich und steckt mir eine Packung Ibu zu.
[Was vorher geschah: Teil 1]
Doc: „Na, wars schön?“
Disaster: „Ich finde Sie gleich genauso blöd, wie die Röntgenschwester!“.
Doc: [noch breiter grinsend] „Kommse ma gleich mit durch…“
Schockraum. Herr Disaster sitzend auf dem Arzthocker, der Doc daneben mit den Röntgenbildern am Computer.
Doc: „Also die schlechte Nachricht ist, dass da wieder nicht mehr zu sehen ist, als beim ersten Mal…“
Gezeter von Disaster.
Doc: „…und ich bin weiterhin der Meinung, dass da was ist, was überhaupt nicht gut ist und ich bekomme auch raus, was das ist. Wir rufen mal unsere Orthopäden an und gucken, was der sagt.“
Ich ertrank im Selbstmitleid und malte mir aus, dass ich die nächsten Wochen bei herrlichem Frühlingswetter in der Chirurgie das Bett hüten darf. Keine zwei Minuten später stürmt Herr Samstagabenddoc mit wehendem Kittel in den Schockraum: „Wir machen ein CT, jetzt sofort. Das macht die Röntgenschwester, den Weg kennenseja…“
Ich fragte mich, wo die Röntgenschwester am Samstagabend um die Zeit ´ne Flasche Rotwein herbekommen sollte…
Disaster: „Hörnsema, dauert das noch länger oder anders gefragt wie gehts insgesamt weiter, weil ich hab draussen ´ne Begleitung sitzen und es ist Samstagabend…“
Doc: „Die kann eigentlich nach Hause fahren, ich denke nicht, dass ich Sie hier rauslasse.“
GNARF. Vorbei mit dem sonnigen Frühlingswochenende, dass ich eigentlich größtenteils in der Hängematte verbringen wollte und sah mich bereits in einem stickigen Krankenhauszimmer halb eingegipst und vor sich hinstinkend rumgammeln. Ich schlurfe also in den Wartebereich der Notaufnahme und teile meiner Begleitung die freudige Nachricht mit. Sie macht sich auf den Heimweg und ich auf den Weg zur Röntgenschwester. Selbige wartet bereits auf mich. Noch breiter grinsend als die ersten Male.
Disaster: „Wo ist der Rotwein, ohne Rotwein läuft hier mit uns beiden heute mal gar nüscht mehr!“
Röntgenschwester: „Wo sollte ich den den jetzt herbekommen? Ausserdem haben wir hier keine Gläser…“
Disaster: „Wäre mir heute auch egal, ich trink auch aus der Flasche…“
Röntenschwester: „…aber das CT tut wenigstens nicht mehr so weh, wie das Röntgen. Einfach hinlegen und chillen.“ Sprachs und fing an, mein T-Shirt und die Hose auszuziehen. „Lassense ma die Arme unten, ich bekomme das schon hin“ – „DAS glaub ich nicht, wenn Ihre Qualifikation ähnlich wie bei den Röntgenaufnahmen ausgeprägt ist“. Grinsen. Eine Minute später lag ich auf der eisigen Pritsche und Frau Röntgenschwester fing an mit mir über Lautsprecher zu kommunizieren. Nachdem ich drei-, viermal hin- und hergefahren bin und angeschnarcht wurde, dass ich gleichmäßiger zu atmen habe und dass es keinen Grund gibt, die Luft anzuhalten, war das Thema auch schon beendet.
Röntgenschwester: „So, wenn der Doc jetzt nichts sieht, hammse nüscht!“ …und sie fing an, mich ungefragt anzuziehen. Ich war froh, mich nicht mehr bewegen zu müssen. Disaster: „Ist richtig. Wahrscheinlich ein Phantomschmerz, der vom Schädel ausstrahlt…“ – „Nee, der sieht diesmal was, ich hab es auch gesehen“ – „Was denn?“ – „Bin ich Arzt? Hab ich Qualifikation? Ich kann ja nicht mal röntgen!“. Wir grinsen beide. „Sorry, ich darfs nicht sagen…“
Röntgenschwester: „Und wie heißen Sie jetzt bei Facebook? Ich hab vorhin schon mal nachgesehen, konnte sie aber nicht finden.“
Disaster: „Tia, kein Rotwein, keine Facebookfreundschaft!“
Sie lacht. „Jede Wette, wir sehen uns hier nochmal“. Hm, sie hat wahrscheinlich recht. Ich schlurfe zurück in die Notaufnahme.
Dort wartet grinsend der Doc…
Notaufnahme, Samstagabend, 19 Uhr. „Ich habe Schmerzen in der Schulter, gestürzt…“ Zettel ausfüllen, warten, warten.
Eine halbe Stunde später schnarrt die Stimme von Schwester Rabiata ins Wartezimmer: „Herr Disaster, einmal bitte zum Röntgen.“ Gesagt, getan. Samt Begleitung einmal quer durch das Krankenhaus geschlurft. Die Röntgenschwester ließ uns nur ein paar Minuten warten. Das Ausziehen des T-Shirts entpuppte sich als mittlere bis schwere Katastrophe.
„Soll ich ihnen helfen?“ – „Nö, geht schon.“ Man ist ja Mann. Auf den kalten Tisch legen und Erleichterung. Die Kälte tut der Schulter richtig gut. „Soooo, einmal den Arm hoch“ – „HÖ? Geht nicht! Mach ich nicht! Kommt gar nicht in Frage!“ – „Klar, muss, stellnsesichmanichsoan!“. Minuten später, nach unzähligen Flüchen und einem hämischen Grinsen der Schwester, die in ihrer Samstagsabendbereitschaft bestimmt lieber vorm Fernseher gesessen hätte kam das erlösende „So, fertsch, anziehen, den Rest bespricht der Doc mit ihnen!“ Das T-Shirt anziehen war noch interessanter als selbiges abzulegen. Ich verzog keine Miene und erfand innerlich zig neue Schimpfwörter.
Zurück in die Notfallabmulanz. Ich stellte mich wieder auf lustige Wartezeiten ein und versuchte mich durch das Beobachten der drei anderen Anwesenden abzulenken. Das brachte nichts, die gehörten alle zusammen und ausser, dass abwechselnd jemand der dreien mit teilnahmslos-leidvoller Mine vor die Tür zum Rauchen schlurfte, passierte nicht allzuviel.
Nach nur zehn Minuten erbarmte sich der Doc, mich der Langeweile des Wartezimmers zu entziehen. „Guten Tag, ich bin Herr Samstagabenddoc, was hammse denn veranstaltet?“ – „Sturz, rechte Schulter… stammel stammel“. – „Ausziehen!“ – war ja sowas von klar. Innerlich erneute zig Flüche, nach zwei Minuten obenrum nackig. Tasten hier, Arm hochheben da, langziehen da, drücken hier… Ich fange an zu meckern. Es folgt das erste Statement: „Also… Es ist alles frei beweglich, da is nüscht gebrochen. Allerdings ist auf dem Röntgenbild irgendetwas zu sehen, was da nicht hingehört. Wir machen mal noch eins und zwar in einer anderen Position. Den Weg kennen se ja…“ Ich rolle mit den Augen, der Doc grinst. T-Shirt anziehen, tausend Flüche…
Raus in den Wartebereich, Begleitung eingesammelt, zum Röntgen. Dort wartete die Schwester schon grinsend, war offenbar von der Notaufnahme schon vorgewarnt: „Langsam werden sie lästig…“ – „Ich weiß, bin ich immer“ – „Sie können sich ja schonmal ausziehen…“ Sprachs, und verschwand in einem Nebenraum um mit einem Buch, das die Stärke zweiter Aktenordner hatte, wieder um die Ecke zu biegen. Ich quälte mich mit dem Shirt und sie fing an zu blättern. Irgendwann war ich fertig, die Schwester allerdings noch nicht. Ich rutschte von der Pritsche und schlurfte zu ihr rüber und zu schauen, was an dem Buch so interessant ist. Das erste, was ich sah, war eine Abbildung, bei der die zu röntgende Schulter abgebildet war. Nicht so schlimm. Schlimm war, dass an der Schulter ein Arm hing, der über dem Kopf mit der Hand im Nacken halt fand.
Panik. „No way, ich bekomme den Oberarm nicht mal vom Oberkörper weg“ – „Aber der Doc möchte diese Technik, damit er was erkennen kann“ – „Also haben Sie beim ersten Mal scheisse geröngt!“ Lachen. Eine viertel Stunde später. Der Arm war nicht nur oben sondern war im Liegen und im Stehen mehrfach oben. Tränen in den Augen, unkontrolliertes Zittern. Schwere Mitleidsanflüge bei der Schwester, die eine durchaus erwähnenswerte Sensibilität entwickelte. Sie durfte mich zur Belohnung anziehen. Ich hätte es nicht mehr hinbekommen. Der Schmerz in der Schulter war da. Sowasvon war er da. Höllisch.
Disaster: „Ich hoffe, diemal haben Sie nicht wie beim ersten mal gepfuscht, das war eben weder schön noch nett“ – „Ich habe nicht behauptet, dass es nett oder schön wird“ und lacht mich an. „Sollten wir uns heute abend noch mal treffen, erwarte ich eine Flasche Rotwein und ausserdem können wir uns dann gleich bei Facebook befreunden…“. Noch mehr Lachen: „Warum nicht, kling gut…“. Ich schlurfe zurück in die Notaufnahme.
Dort wartet grinsend der Doc…
Nachdem ich meinen Wohnsitz in die wirklich und echt ganz schlimme nordostdeutsche Pampa verlegt habe, könnte es sein, dass ich nach Umzugs- und sonstigem Streß wieder etwas Lust verspüre, mich hier verbal zu diarrhoen.
Geschichten aus dem Einzelhandel wird es vielleicht aus den Erinnerungen heraus geben, Stoff dazu gibt es bei knapp einhundert bisherigen Einträgen aber ungefähr zehnmal so vielen Erlebnissen genug. Dafür aber mit Sicherheit Stories mit den hiesigen Eingeborenen oder der Provinz-High-Society des nächstgrößeren Städtchens, das anderswo nicht einmal ein Ortsschild bekommen würde.
Hm, dann bleibt mir ja eigentlich nur ein netter Gruß an meine Kritiker, denen allein schon die Krempe platzt, wenn sie meinen Namen lesen. Und an alle die, die in den letzten Jahren so nett kommentiert haben und immer noch da sind. Oder auch nicht. 😀
Ich hau mich derweilen mal in die Hängematte und trotze dem Küstenwind…
Provinz-Supermarkt. Leere Kasse. Man (also in dem Fall ich samt Anhang) wartet auf die Kassiererin, die ja nebenberuflich auch noch Regaleinräumerin und Putzfrau ist. Quasi Multitalent.
Nirgendwo irgendwer zu sehen.
Mir juckt es in den Fingern. Ich sehe den komischen Klingelknopf im Kassenkabuff. Mitbekommen habe ich, dass zweimal klingeln heißt „Bitte neue Kasse aufmachen“.
Um die Langeweile zu vertreiben kommt mir die rettende Idee. Zweimal klingeln.
Innerhalb von Sekunden öffnet sich eine Tür direkt neben den Kassen, die dicke Filialleiterin stürzt raus und pflanzt sich direkt an die nächste Kasse… „Sie können sich auch hier anstellen“. Während sie den Satz ausspricht, wechselt der Gesichtsausdruck von hektisch über unheimlich blöd in dümmlich grinsend, weil sie kapiert hat, dass nur wir im Laden waren. Und die dicke Filialleiterin.