Ein Sonnensamstag im Frühling III

[Was vorher geschah: Teil ITeil II]

Doc: „…das ging ja fix. Die gute Nachricht: Wir haben einen Befund. Die schlechte Nachricht: Der ist nicht schön. Kommense ma mit, ich zeigs ihnen am besten am PC“.

Wir zwängen uns in der Notaufnahme in einen Raum, der fünfzig Zentimeter breit und knapp einen Meter tief ist.

Doc: „Schauen Sie mal, das ist ihr Schulterblatt, und das ist ein schicker Bruch. Wie aus dem Lehrbuch…“

Er schiebt mich aus dem Miniraum nach nebenan in den Schockraum.

Disaster: „Ähm, ja und jetzt?“

Doc: „Sie können sich die Schulter so überhaupt nicht brechen. ich bin jetzt über zwanzig Jahre hier und habe zwei ähnliche Brüche gesehen. Damit hätten Sie mit 150 mit einem Motorrad irgendwo gegen fahren müssen. Dann wären aber noch tausend andere Knochen kaputt. Ich rufe jetzt den Orthopädie-Oberarzt an, der wird sich freuen, sie heute an seinem freien Samstagabend noch operieren zu dürfen…“

Herr Samstagabenddoc greift sich das Telefon und verlässt den Raum, Schwester Rabiata drückt mir einen Stapel Papier in die Hand, holt ein Krankenhaushemdchen aus dem Schrank und schmeisst das auf ein Bett im Raum. Öffnet Schränke, sammelt Flexülen und sonste Folterwerkzeuge in einer Nierenschale und stellt die ebenfalls aufs Bett. „Sie solln das ma lesen und unterschreiben!“ – „Ich unterschreib hier nüscht, bevor der Doc mir nicht erzählt, was Phase ist“ – „Das macht nachher der Orothodoc!“ Herr Samstagsabenddoc schlurft wieder in den Schockraum. „Huch, hier ist ja schon alles schick vorbereitet.“

In diesem Moment Gelärme auf dem Flur vorm Schockraum. Rettungssanitäter, ein Notarzt, eine fahrbare Pritsche samt Belegung die blutüberströmt und lauthals lamentiert: „Hörnsema, sehensezu, ich will innen Urlaub!“. Die Fuhre wird ins Nachbarzimmer verfrachtet. Tür zu, Gelärme nur noch gedämpft. Schwester Rabiata hebt die Augenbraue, der Doc murmelt sowas wie „Was ist dem denn zu eng?“. Rabiata erklärt darauf stichpunktartig, dass Herr Urlauber wohl mit seinem Kraftfahrwagen auf einer Allee eine Baumprobe gemacht hat, sein Weib unverletzt blieb und er sich dabei offenbar einige oberflächliche Schnittwunden zugezogen hat, die der Notarzt schon versorgt hat. Der Doc stöhnt.

Doc: „Ok, ich geh mal eine Rauchen und hol mir ´n Kaffee.“ – Blick zu Disaster und sein aus der Hosentasche guckendes Zigarettenpäckchen – „Wollnse mitkommen?“

Disaster [erstaunt]: „Klar, rauchen fetzt.“

Der Doc schnappt sich einen Kaffee aus dem Stationszimmer, wir gehen aus irgendeiner Hintertür vor das Krankenhaus. „Also, ich hab Dr. Oberorthopäde angerufen, der will den Bruch unbedingt sehen und kommt jetzt hierher. Mit absoluter Wahrscheinlichkeit muss operiert werden und sie sollten so ein, zwei Wochen bei uns bleiben. Dann folgt in sechs Monaten eine weitere OP und vermutlich in ein, zwei Jahren noch eine. Da hammse sich aber richtig in die Scheisse geritten.“ Seine Stimme klingt ernst und angespannt, mir ist schlecht. Wir rauchen schweigend auf und gehen wieder rein. Ich will ins Wartezimmer abbiegen „Ach, kommse mal mit rein, der Wartebereich ist ja auch eine Zumutung…“ Disaster in seinen Schockraum, Doc samt Schwester Rabiata in den anderen.

Gelärme. Das wurde ja mal Zeit, was ist das hier für ein Laden, blablabla… Minutenlang. Doc verlässt die Bühne nebenan und rauscht ab. Kurze Zeit später Schwester Rabiata lauthals: „Reissense sich mal zusammen mit ihren paar Kratzern, nebenan is ´ne gebrochene Schulter, hörnse von da was?“. Die Rettungsassis stehen grinsend vorm Schockraum, Schwester Rabiata rauscht ab, knallt die Tür nebenan zu und Ruhe ist.

Kurze Zeit später kam Dr. Oberorthpäde samt Samstagabenddoc zu mir. Gartenoutfit, Gartenschuhe, sichtbar in der Freizeit gestört. „Nahmt, ich hab mir eben mal mit dem Kollegen ihre Scapulafraktur beguckt, reife Leistung junger Mann.“ Und fängt an, sich die Hände zu waschen. „Ich würds mir gern mal näher ansehen, tut aber weh“. Ich rolle mit den Augen, Samstagabenddoc grinst. Neben ihm steht auf einmal die Röntgenschwester, Schwester Rabiata füllt meine Formulare aus.

Ausziehen, hinsetzen. Schmerzen. Ziehen, drehen, reißen, ich ab das Gefühl, dass der Arm ab ist und neben mir liegt.

Dr. Oberorthopäde: „Hm, das sieht nicht gut aus. Ich würde jetzt mal versuchen, den Bruch zu richten…“

Sprachs und fing an. Reflexartig Tränen. Einige Sekunden Höllle.

Dr. Oberorthopäde: „Guckense ma da in die Glastür vom Schrank. Sehen Sie den Höcker auf der Schulter? Das ist das abgebrochene Stück.“

Disaster [dem übel wird]: „Boah, und das soll jetzt so bleiben?“

Dr. Oberorthopäde: „Nee, sieht doch scheisse aus. Ich schieb das jetzt dahin, wo es hingehört.“

Sprachs und fing an. Reflexartig Tränen. Gezeter von Disaster. Viele Sekunden Hölle. Schweiss auf der Stirn des Docs. Samstagabenddoc und die Röntgenschwester starren gebannt, ab und an zieht die Röntgenschwester die Nase kraus und macht einen schmalen Mund. Niemand hält Händchen. Ich hab die Schnauze leicht bis extrem voll.

Dr. Oberorthopäde: „So Herr Disaster. ´n kleiner Glückspilz sindse ja, wa? Komplette Fraktur und so ein Ergebnis. Ihr Schulterblatt sieht jetzt so aus, wie es aussehen muss. Sie haben sich zig kleine Gefäße abgerissen, Muskeln angerissen, die Rippen geprellt. Ab morgen werden sie vermutlich ´ne ganze Weile grün und blau durch die Gegend laufen. Ich werde da nüscht operieren. Wir stabilisieren das jetzt und dann war´s das.“

Der Samstagabenddoc, Schwester Rabiata, die Röntgenschwester und meinereiner starren ihn fassungslos an. Rabiata fängt enttäuscht an, ihre Flexüle und das Hemdchen wegzuräumen.

Dr. Oberorthopäde: „Herr Dr. Samstagabenddoc, schickense mir ma die CT-Datei vonner Fraktur uffn Computer, das Ding druck ich mir aus uns häng´s anne Wand, gibt´s ja gar nicht. Herr Disaster, sie schonen sich ma ´ne Woche und in einem Vierteljahr ist wieder alles schick. Schönen Abend die Herrschaften, ich bin raus!“

Nach dieser für alle Beteiligten erstaunlichen Verkündung rauschte er mit seinem Gartenoutfit ab.

Der Rest ist schnell erzählt. Schwester Rabiata baut extrem einfühlsam eine Orthese an den Herrn Disaster, der selbige nur zum Duschen abnehmen darf. Der Samstagabenddoc schreibt den Arztbrief, die Röntgenschwester steht mit einem mitleidigem Blick rum und Herr Disaster versucht einhändig per Whatsapp seine Abholung aus dem Provinzkrankenhaus zu organisieren.

Die Abholung klappte, kurz vor Mitternacht saß Herr Disaster auf der Couch vor seinem Kamin. Die ersten Tage und vor allem die Nächte waren die Hölle. Man stellt fest, dass man zum Leben beide Arme braucht. Die Prognose vom Samstagabendoc, dass ich ziemlich genau eine Woche Schmerzen und Muskelkrämpfe haben werde, bewahrheitete sich. Nach fünf Tagen verstaute ich die Orthese im Schrank. Nach drei Tagen mähte ich einhändig den Rasen. Weder die Schulter noch der Oberkörper wurde grün oder blau. Und nach vier Wochen verspüre ich nur ab und an noch leichte Schmerzen.

Achso, und bevor mich das absolut nette und kompetente Team der Notaufnahme im Provinzkrankenhaus nach Hause gejagt hat, stellte der Samstagabenddoc die Frage: „Nu sagense mal nochmal, wie das passiert ist!“ Disaster: „Hab ich doch schon huntertmal, da waren Zeugen dabei, eine holt mich gleich ab. Aufm Kinderspielplatz mit meinem Kind auf einem zwanzig Zentimeter hohen Schwebebalken rumbalanciert und dabei ´n Sittich gemacht und über die Schulter abgerollt.“ Alles lacht, Schwester Rabiata drückt mich und steckt mir eine Packung Ibu zu.

Ein Sonnensamstag im Frühling II

[Was vorher geschah: Teil 1]

Doc: „Na, wars schön?“

Disaster: „Ich finde Sie gleich genauso blöd, wie die Röntgenschwester!“.

Doc: [noch breiter grinsend] „Kommse ma gleich mit durch…“

Schockraum. Herr Disaster sitzend auf dem Arzthocker, der Doc daneben mit den Röntgenbildern am Computer.

Doc: „Also die schlechte Nachricht ist, dass da wieder nicht mehr zu sehen ist, als beim ersten Mal…“

Gezeter von Disaster.

Doc: „…und ich bin weiterhin der Meinung, dass da was ist, was überhaupt nicht gut ist und ich bekomme auch raus, was das ist. Wir rufen mal unsere Orthopäden an und gucken, was der sagt.“

Ich ertrank im Selbstmitleid und malte mir aus, dass ich die nächsten Wochen bei herrlichem Frühlingswetter in der Chirurgie das Bett hüten darf. Keine zwei Minuten später stürmt Herr Samstagabenddoc mit wehendem Kittel in den Schockraum: „Wir machen ein CT, jetzt sofort. Das macht die Röntgenschwester, den Weg kennenseja…“

Ich fragte mich, wo die Röntgenschwester am Samstagabend um die Zeit ´ne Flasche Rotwein herbekommen sollte…

Disaster: „Hörnsema, dauert das noch länger oder anders gefragt wie gehts insgesamt weiter, weil ich hab draussen ´ne Begleitung sitzen und es ist Samstagabend…“

Doc: „Die kann eigentlich nach Hause fahren, ich denke nicht, dass ich Sie hier rauslasse.“

GNARF. Vorbei mit dem sonnigen Frühlingswochenende, dass ich eigentlich größtenteils in der Hängematte verbringen wollte und sah mich bereits in einem stickigen Krankenhauszimmer halb eingegipst und vor sich hinstinkend rumgammeln. Ich schlurfe also in den Wartebereich der Notaufnahme und teile meiner Begleitung die freudige Nachricht mit. Sie macht sich auf den Heimweg und ich auf den Weg zur Röntgenschwester. Selbige wartet bereits auf mich. Noch breiter grinsend als die ersten Male.

Disaster: „Wo ist der Rotwein, ohne Rotwein läuft hier mit uns beiden heute mal gar nüscht mehr!“

Röntgenschwester: „Wo sollte ich den den jetzt herbekommen? Ausserdem haben wir hier keine Gläser…“

Disaster: „Wäre mir heute auch egal, ich trink auch aus der Flasche…“

Röntenschwester: „…aber das CT tut wenigstens nicht mehr so weh, wie das Röntgen. Einfach hinlegen und chillen.“ Sprachs und fing an, mein T-Shirt und die Hose auszuziehen. „Lassense ma die Arme unten, ich bekomme das schon hin“ – „DAS glaub ich nicht, wenn Ihre Qualifikation ähnlich wie bei den Röntgenaufnahmen ausgeprägt ist“. Grinsen. Eine Minute später lag ich auf der eisigen Pritsche und Frau Röntgenschwester fing an mit mir über Lautsprecher zu kommunizieren. Nachdem ich drei-, viermal hin- und hergefahren bin und angeschnarcht wurde, dass ich gleichmäßiger zu atmen habe und dass es keinen Grund gibt, die Luft anzuhalten, war das Thema auch schon beendet.

Röntgenschwester: „So, wenn der Doc jetzt nichts sieht, hammse nüscht!“ …und sie fing an, mich ungefragt anzuziehen. Ich war froh, mich nicht mehr bewegen zu müssen. Disaster: „Ist richtig. Wahrscheinlich ein Phantomschmerz, der vom Schädel ausstrahlt…“ – „Nee, der sieht diesmal was, ich hab es auch gesehen“ – „Was denn?“ – „Bin ich Arzt? Hab ich Qualifikation? Ich kann ja nicht mal röntgen!“. Wir grinsen beide. „Sorry, ich darfs nicht sagen…“

Röntgenschwester: „Und wie heißen Sie jetzt bei Facebook? Ich hab vorhin schon mal nachgesehen, konnte sie aber nicht finden.“

Disaster: „Tia, kein Rotwein, keine Facebookfreundschaft!“

Sie lacht. „Jede Wette, wir sehen uns hier nochmal“. Hm, sie hat wahrscheinlich recht. Ich schlurfe zurück in die Notaufnahme.

Dort wartet grinsend der Doc…

[Fortsetzung folgt]

Ein Sonnensamstag im Frühling I

Notaufnahme, Samstagabend, 19 Uhr. „Ich habe Schmerzen in der Schulter, gestürzt…“ Zettel ausfüllen, warten, warten.

Eine halbe Stunde später schnarrt die Stimme von Schwester Rabiata ins Wartezimmer: „Herr Disaster, einmal bitte zum Röntgen.“ Gesagt, getan. Samt Begleitung einmal quer durch das Krankenhaus geschlurft. Die Röntgenschwester ließ uns nur ein paar Minuten warten. Das Ausziehen des T-Shirts entpuppte sich als mittlere bis schwere Katastrophe.

„Soll ich ihnen helfen?“ – „Nö, geht schon.“ Man ist ja Mann. Auf den kalten Tisch legen und Erleichterung. Die Kälte tut der Schulter richtig gut. „Soooo, einmal den Arm hoch“ – „HÖ? Geht nicht! Mach ich nicht! Kommt gar nicht in Frage!“ – „Klar, muss, stellnsesichmanichsoan!“. Minuten später, nach unzähligen Flüchen und einem hämischen Grinsen der Schwester, die in ihrer Samstagsabendbereitschaft bestimmt lieber vorm Fernseher gesessen hätte kam das erlösende „So, fertsch, anziehen, den Rest bespricht der Doc mit ihnen!“ Das T-Shirt anziehen war noch interessanter als selbiges abzulegen. Ich verzog keine Miene und erfand innerlich zig neue Schimpfwörter.

Zurück in die Notfallabmulanz. Ich stellte mich wieder auf lustige Wartezeiten ein und versuchte mich durch das Beobachten der drei anderen Anwesenden abzulenken. Das brachte nichts, die gehörten alle zusammen und ausser, dass abwechselnd jemand der dreien mit teilnahmslos-leidvoller Mine vor die Tür zum Rauchen schlurfte, passierte nicht allzuviel.

Nach nur zehn Minuten erbarmte sich der Doc, mich der Langeweile des Wartezimmers zu entziehen. „Guten Tag, ich bin Herr Samstagabenddoc, was hammse denn veranstaltet?“ – „Sturz, rechte Schulter… stammel stammel“. – „Ausziehen!“ – war ja sowas von klar. Innerlich erneute zig Flüche, nach zwei Minuten obenrum nackig. Tasten hier, Arm hochheben da, langziehen da, drücken hier… Ich fange an zu meckern. Es folgt das erste Statement: „Also… Es ist alles frei beweglich, da is nüscht gebrochen. Allerdings ist auf dem Röntgenbild irgendetwas zu sehen, was da nicht hingehört. Wir machen mal noch eins und zwar in einer anderen Position. Den Weg kennen se ja…“ Ich rolle mit den Augen, der Doc grinst. T-Shirt anziehen, tausend Flüche…

Raus in den Wartebereich, Begleitung eingesammelt, zum Röntgen. Dort wartete die Schwester schon grinsend, war offenbar von der Notaufnahme schon vorgewarnt: „Langsam werden sie lästig…“ – „Ich weiß, bin ich immer“ – „Sie können sich ja schonmal ausziehen…“ Sprachs, und verschwand in einem Nebenraum um mit einem Buch, das die Stärke zweiter Aktenordner hatte, wieder um die Ecke zu biegen. Ich quälte mich mit dem Shirt und sie fing an zu blättern. Irgendwann war ich fertig, die Schwester allerdings noch nicht. Ich rutschte von der Pritsche und schlurfte zu ihr rüber und zu schauen, was an dem Buch so interessant ist. Das erste, was ich sah, war eine Abbildung, bei der die zu röntgende Schulter abgebildet war. Nicht so schlimm. Schlimm war, dass an der Schulter ein Arm hing, der über dem Kopf mit der Hand im Nacken halt fand.

Panik. „No way, ich bekomme den Oberarm nicht mal vom Oberkörper weg“ – „Aber der Doc möchte diese Technik, damit er was erkennen kann“ – „Also haben Sie beim ersten Mal scheisse geröngt!“ Lachen. Eine viertel Stunde später. Der Arm war nicht nur oben sondern war im Liegen und im Stehen mehrfach oben. Tränen in den Augen, unkontrolliertes Zittern. Schwere Mitleidsanflüge bei der Schwester, die eine durchaus erwähnenswerte Sensibilität entwickelte. Sie durfte mich zur Belohnung anziehen. Ich hätte es nicht mehr hinbekommen. Der Schmerz in der Schulter war da. Sowasvon war er da. Höllisch.

Disaster: „Ich hoffe, diemal haben Sie nicht wie beim ersten mal gepfuscht, das war eben weder schön noch nett“ – „Ich habe nicht behauptet, dass es nett oder schön wird“ und lacht mich an. „Sollten wir uns heute abend noch mal treffen, erwarte ich eine Flasche Rotwein und ausserdem können wir uns dann gleich bei Facebook befreunden…“. Noch mehr Lachen: „Warum nicht, kling gut…“. Ich schlurfe zurück in die Notaufnahme.

Dort wartet grinsend der Doc…

[Fortsetzung folgt]

Merkbefreit reloaded

Nachdem ich meinen Wohnsitz in die wirklich und echt ganz schlimme nordostdeutsche Pampa verlegt habe, könnte es sein, dass ich nach Umzugs- und sonstigem Streß wieder etwas Lust verspüre, mich hier verbal zu diarrhoen.

Geschichten aus dem Einzelhandel wird es vielleicht aus den Erinnerungen heraus geben, Stoff dazu gibt es bei knapp einhundert bisherigen Einträgen aber ungefähr zehnmal so vielen Erlebnissen genug. Dafür aber mit Sicherheit Stories mit den hiesigen Eingeborenen oder der Provinz-High-Society des nächstgrößeren Städtchens, das anderswo nicht einmal ein Ortsschild bekommen würde.

Hm, dann bleibt mir ja eigentlich nur ein netter Gruß an meine Kritiker, denen allein schon die Krempe platzt, wenn sie meinen Namen lesen. Und an alle die, die in den letzten Jahren so nett kommentiert haben und immer noch da sind. Oder auch nicht. 😀

Ich hau mich derweilen mal in die Hängematte und trotze dem Küstenwind…

Geschichten aus der Provinz oder Dunkeldeutschland live

Provinz-Supermarkt. Leere Kasse. Man (also in dem Fall ich samt Anhang) wartet auf die Kassiererin, die ja nebenberuflich auch noch Regaleinräumerin und Putzfrau ist. Quasi Multitalent.

Nirgendwo irgendwer zu sehen.

Mir juckt es in den Fingern. Ich sehe den komischen Klingelknopf im Kassenkabuff. Mitbekommen habe ich, dass zweimal klingeln heißt „Bitte neue Kasse aufmachen“.

Um die Langeweile zu vertreiben kommt mir die rettende Idee. Zweimal klingeln.

Innerhalb von Sekunden öffnet sich eine Tür direkt neben den Kassen, die dicke Filialleiterin stürzt raus und pflanzt sich direkt an die nächste Kasse… „Sie können sich auch hier anstellen“. Während sie den Satz ausspricht, wechselt der Gesichtsausdruck von hektisch über unheimlich blöd in dümmlich grinsend, weil sie kapiert hat, dass nur wir im Laden waren. Und die dicke Filialleiterin.

Es wird keine Maut geben…

….sagt der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegman. Nun läuft der CSU Verkehrsminister Alexander Dobrindt daher, und erzählt uns wie es ablaufen soll. Mal abgesehen davon, dass ich weder rot noch schwarz noch bunt solche Aussagen in der Vergangenheit geglaubt habe, finde ich einen Sachverhalt sehr lustig:

Die Mau soll über die Kfz-Versicherung eingetrieben werden. Mehrkosten werden aber für die deutschen Autofahrer nicht entstehen. Ich weiß gar nicht, ob ich weinen oder lachen soll. Hält der letztlich vom Stimmvieh gewählte Minister selbiges für so behämmert, dass die den Braten nicht riechen? Die Erhöhung der Kfz-Steuer bzw. der bzw. die Abschaffung selbiger ist damit mal vom Tisch. Die Erhöhung zumindest vorerst – die Hürden dafür sind ja auch ungleich schwieriger, als die Mauteinführung. Leicht gemacht und die Kfz-Versicherungen werden die Maut als willkommenen Anlass nehmen, sich einen fetten Brocken vom Braten Autofahrer abzuschneiden.
Ein gerechtes Mautsystem in Deutschland hat Vorteile. Zum Beispiel, wenn man die Kfz-Steuer abschafft. Aber eben auch einen Nachteil. Es verdient niemand dran. Und jetzt ist es nicht nur der Staat, sondern auch noch die Privatwirtschaft in Form der Versicherungen.

Chapeau, Mr. Dobrindt.

PS: Die Maut an sich juckt mich nicht. Aber ich entscheide gern selbst, wer sich neben der Regierung an mir bereichert.

PPS: Der (Dobrindt) soll mal was zur sozialen Gerechtigkeit und Maut sagen, DAS würde mich auch brennend interessieren.

PPPS: Und auf die „Mautbefreiten“ bin ich erst recht gespannt. ^^

https://youtu.be/9ltXRdR_0Dc

Schlaaaaaand

Sorry, kann es mir nicht verkneifen. 😀 Habt Nachsicht!

Mein gestriger Abend begann mit einem Ausflug in die sogenannte Zivilisation zum Public Viewing. Vorweg: Alle meine genialen Vorurteile wurden extrem befriedigt.

Location: Eingezäunt und ohne Eintritt auf einem ohnehin öffentlichem Platz. Wird schon einen Sinn haben. Riesige LED-Leinwand, auf der man selbst bei 90-Grad-Blickwinkel frontal die Spieler nur anhand ihrer Farben unterscheiden konnte. Dafür war der Ton extrem laut. Glich sich irgendwie aus, wenn man drauf steht. Grill, Bierwagen (diverse), alles da. Am Rand: Die Wägen mit Bier-Reklame auf dem Dach hatten Schlangen mit 20 bis 30 Menschen davor. Es gab einen, den sah man zwar, der hatte aber keine Reklame auf dem Dach: Da standen zwei, drei Leute davor. Ich bin mir sicher, ein Intelligenztest der Veranstalter. ^^

Publikum: Gemischt. Von Lieschen Müller über den Fernseh-Proll-Fan mit Schwarz-Rot-Goldenem Cowboyhut bis hin zu Otto Normal, der aber erwartungsgemäß in der Minderzahl war.

Ablauf: Mit Anpfiff standen um mich herum 1000 x Netzer, Kahn und Co. Von der Aufstellung über Päße bis zum Schiedsrichter wurde alles zerpflückt. Nur die Spieler kamen um Kritik herum. Weil: Man konnte die Farbkleckse ja nicht auseinanderhalten. Jubel bei guten Spielzügen und Schiedsrichterprotest mit vollen Bierbechern in der Hand am laufenden Band, die rückwärtigen Zuschauer bekamen dann auch ihren Teil aus dem Becher ab. Tia, Niveau ist keine Creme und Rücksicht geht auch ohne Spiegel.

Zur Halbzeit wurde mir das zu blöd. Ich fühlte mich wie im Tierpark. Nur auf der anderen Seite des Gatters.

Logische Konsequenz: Umzug in eine Kneipe.

Und siehe da… Normale Menschen, auch verkleidet, auch angemalt aber sie stanken nicht wie Pumas nach vier Wochen in der Sonne. Riesenbild, scharf, alles schick. Kommentiert wurde natürlich auch vom Publikum, Kloses Abgang mit Applaus bedacht. Bilder, wie von normalen WM-Parties aus dem TV. Laut, Emotionen und sogar geilere Getränke als beim Public Viewing.

Und auf dem Heimweg hab ich eine Grillparty ganz ohne Fußball gesehen. Doll, wa…

In dem Sinne einen schönen Wochenstart und mögen in ein paar Jahren die Spiele wieder beginnen. Ich brauch ja was zum Meckern. 😉

PS: Glückwunsch zum Pott, aber nicht in den Pott. Und nicht WIR sind Weltmeister, sondern die deutsche Nationalmannschaft isses. 😉

Alle Jahre zuwider…

…ist mir der Wahn um König Fußball in Form der WM. Verhalten geht es los, mit glücklichen und vielleicht auch spielerischen Erfolgen der deutschen Mannschaft erwacht auch Lieschen Müller und dekoriert ihr Auto oder ihr Gesicht mit den schwarz-rot-goldenen Farben. Mit jedem Rutsch weiter steigt die Euphorie, da werden Laien, die kaum geradeaus laufen können, zu wahren Fußballprofis und kommentieren im heimischen Garten lautstark Spielzüge, die es gar nicht gibt. Da werden profane, langweilige und letztlich auch schlechte Spiele wie gegen die USA als herausragende Leistung gefeiert.

Ein gutes hat der Wahn, die Menschen reden miteinander und wenn es eben nur Unfug ist. Aber es geht ihnen gut dabei und wenn die Bolztruppe vom DFB dann mal solche Dinger wie gegen Brasilien reißt, sind wir die Größten. Das Brasilien vielleicht einfach nur grottenschlecht war und wir ein paarmal mehr Glück hatten, als die Gastgeber, kommt niemandem in den Sinn. Da werden Metaphern durch die Gegend geschlagen, dass es nur so kracht. Die deutschen Fans eskalieren auf den Straßen, im Job, bei Facebook mit bösen, herablassenden Bildern. WIR sind die Größten. Vor allem WIR.

Gut gefallen hat mit die Reaktion der brasilianischen Fans. Da wird der Gegner mit ehrlichem Beifall bedacht und gefeiert, keine Wut, kein Haß, eher Enttäuschung über die Leistung der eigenen Mannschaft. Hätte Brasilien gegen uns 7:1 gewonnen, wären die Schiedsrichter, die Gegner, die Kanzlerin, das Wetter, der Weihnachtsmann und letztlich der Papst dafür verantwortlich gewesen. Und Brasilien wäre sowieso Scheiße gewesen.

Vielleicht kommt es mir nur so vor, aber von der Kultur anderer sollten wir uns mal ´ne Scheibe abschneiden, anstatt nur unsere Siege zu feiern. Ob hämisch, herablassend oder ehrlich.

Übrigens, der Papst. Auch als Atheist hat mir der Kommentar vom weißen Mann aus Rom gefallen. Der sagte bei Twitter

Die Weltmeisterschaft führte Menschen verschiedener Länder und Religionen zusammen. Möge der Sport stets die Kultur der Begegnung fördern
 In diesem Sinn: Endspiel! Und morgen ist der Wahnsinn endlich vorbei. 😉

Der Gedenkstein vor der Ampel

Wie würdet ihr reagieren, wenn an der Ampel mitten auf der Straße ein (Renn-)Radfahrer im Ganzkörperkondom (natürlich inkl. Kunsthaut über den Schuhen!) auf der Induktionsschleife steht und vergeblich auf „Grün“ wartet, aber nicht rafft, dass sein blödes Fahrrad Luft für selbige Schleife ist?

Ihm erklären, dass rechts ein schicker asphaltierter Radweg ist? Fragen, ob er meint, dass das Metall seiner nicht vorhandenen Klingel fehlt, um die Schleife zu animieren, die Ampel umzuschalten? Den Terminkalender zücken und die Termine der kommenden Stunden verschieben? Ihn mit Standgas über die Ampel schieben? Sich einen Termin beim Tiertrainer holen und sich die Geduld alter Hunde beibringen lassen?

Also ICH bin nach fünf Minuten einfach vorbeigefahren. Bei immer noch Dauerrot. Weil: Da war ich mit ´m Telefonieren fertig. 😀 Im Rückspiegel dann noch gesehen, wie Burschi fast ´n Herzkasper vor Wut bekam. Hobbies haben die Leute, tse…